Industrie 4.0 und Digitalisierung – Neue Herausforderungen für die gesamte IKT-Branche in den Bereichen Informationssicherheit, Breitbandinfrastruktur und IKT-Fachkräfte

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Gastkommentar von FH-Prof. DI Robert Kolmhofer, FH OÖ Studienbetriebs GmbH, Departmentleiter Sichere Informationssysteme

23.05.2016

Die Schlagwörter „Industrie 4.0“ und „Digitalisierung“ sind allgegenwärtig und auch in den Aktivitäten des IT-Clusters, sei es im Positionspapier zur Digitalregion Oberösterreich, in diversen Arbeitsgruppen oder in den ITC-Beiratsagenden, wiederzufinden. Durch die „elektronische“ Vernetzung von Forschung & Entwicklung, Produktionsplanung, Produktionsanlagen (inklusive Internet of Things), Logistik und Kunden, ergeben sich neue Herausforderungen hinsichtlich leistungsfähiger regionaler und überregionaler Breitband-Netzwerkinfrastruktur, im Bereich Informationssicherheit und in der Ausbildung, nicht nur von IT-Fachkräften.

Breitbandinfrastruktur
Gerade eine leistungsfähige Breitband-Netzwerkinfrastruktur ist heute nicht mehr wegzudenken, doch die zur Verfügung stehenden Anschlussqualitäten lassen zu wünschen übrig. Zwar hat OÖ vor 10 Jahren einen massiven Breitband-Infrastruktur Vorsprung durch den Aufbau des Glasfaser-Backbones quer durch alle Gemeinden innegehabt, dieser ist jedoch in den letzten Jahren verloren gegangen. Während in anderen Bundesländern (Tirol, NÖ) und vor allem in verschiedenen EU-Regionen konsequent an einer Ablöse der auf Kupfer basierenden Kabeltechnologien (ADSL, xDSL) gearbeitet wird, wurde in OÖ wenig getan. Auch die lokalen Förderungen in OÖ (das FTTH-KMU Programm ist besonders lobenswert hervorzuheben) lösen nicht das Problem der fehlenden, flächendeckenden überregionalen Breitbandinfrastruktur. Da hilft auch die Breitbandmilliarde aus Wien, von der ca. 170 Mio. nach OÖ kommen, nicht viel, wenn alleine in OÖ ca. 1,3 Mrd. für den Fiber-Ausbau benötigt würden. Es stellt sich die Frage, ob es unter dem Aspekt einer Zukunftsinvestition aus standortpolitischer Sicht nicht längst an der Zeit wäre, nicht nur Industrie 4.0/Digitalisierung zu fordern, sondern diese auch durch eine leistungsfähige Breitband-Netzwerkinfrastruktur, die auch in Gebieten errichtet wird, wo es sich „vorerst nicht rechnet“, zu ermöglichen.

Informationssicherheit
Durch die Vernetzung aller Bereiche der Wirtschaft und Kunden ergibt sich vermehrt die Diskussion um die Themen Datenschutz und Informationssicherheit. Aus Expertensicht umgesetzt wird jedoch viel zu wenig, nur wenn etwas passiert, wird Hals über Kopf Aktionismus betrieben. Dabei könnte präventiv vieles abgewendet werden, würden nur die etablierten Best-Practice-Ansätze zur Erhöhung der Informationssicherheit (und gemeint sind Datenschutzmaßnahmen, technische IT-Security-Maßnahmen, Mitarbeiter-Awareness-Programme, …) und im Einzelfall auch sinnvolle Informationssicherheits-Zertifizierungen in den Unternehmen umgesetzt werden. Denn betroffen sind alle: vom KMU bis zum Großkonzern und natürlich auch MitarbeiterInnen und Privatpersonen, nicht nur was Informationssicherheitsvorfälle angeht, sondern auch, was die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen betrifft. Vor allem die IT-Abteilungen wissen über die Bedrohungen nur allzu gut Bescheid und kämpfen nach bestem Wissen und Gewissen für eine Verbesserung der Informationssicherheit. Aber ohne Verständnis in den Geschäftsführungen stehen die IT-Fachleute vor einer praktisch unlösbaren Aufgabe: Keine Ressourcen und vor allem keine Unterstützung und/oder Verständnis des Managements machen es unmöglich, quer über alle Bereiche eines Unternehmens Prozesse zu durchleuchten, von Informationsverarbeitungssystemen abhängige kritische Geschäftsprozesse zu ermitteln und adäquate Informationssicherheitsmaßnahmen zu treffen. Wie das geht, wissen wir Informationssicherheitsexperten schon lange, auch bei uns an der FH in Hagenberg bilden wir seit dem Jahr 2000 InformationssicherheitsexpertInnen aus, auch berufsbegleitend für die Wirtschaft.

IKT-Fachkräfte
Womit sich auch der dritte und meiner Meinung nach wichtigste Aspekt, der der IT-qualifizierten MitarbeiterInnen, ergibt: Ohne gut ausgebildete (IT-)Fachkräfte kommen wir nicht weiter – das ist selbstredend. Dabei haben wir gerade in OÖ ein breites Ausbildungsangebot (Fachschulen, HTLs, FH und Uni), wo hochqualitative IT-Ausbildung betrieben wird. Doch es gibt nicht nur Informatiker als AbsolventInnen, sondern ein Großteil der jungen SchülerInnen/StudentInnen – unsere zukünftigen Arbeitskräfte - haben keine adäquate Informatikausbildung. Sicher, niemand muss ein IT-Spezialist nach der Matura sein und Web-Seiten selbst programmieren können, da aber die Informationstechnologie als Alltagswerkzeug omnipräsent ist, sollte beginnend vom Kindesalter an (und da sollte selbst der Kindergarten nicht tabu sein), eine konstante und lebenslange Ausbildung im kompetenten und sicheren Umgang mit Informationstechnologie gewährleistet werden. Weil die jungen Leute aber immer weniger Interesse an technischen Ausbildungen haben (auch die Informatik leidet darunter), wird sich das Problem nicht von selbst lösen, sondern eine solide IT-Ausbildung gehört im gesamten Bildungssystem etabliert und Altes, Verstaubtes reduziert oder beseitigt. Einziger Lichtblick für die IT-Branche sind da möglicherweise (wie auch in anderen Branchen) gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland und da die Standardsprache in der IT sowieso Englisch ist, gibt es eigentlich auch keine Sprachbarriere. Ob das aber der richtige Weg ist, um die IT-Ausbildungsdefizite unserer eigenen SchülerInnen zu kompensieren, ist fraglich. Wenn wir seit längerer Zeit von Seiten des IT-Clusters (siehe z.B. in unserem Positionspapier) in den Bereichen Breitband, Informationssicherheit und Ausbildung grundlegende Ideen und Forderungen präsentieren und auch ausreichend Experten und wenige Expertinnen (selbstkritisch muss ich fragen, wo sind eigentlich die Frauen im IT-Cluster?) in OÖ haben, wird es, wie so oft, ohne beherzigte politische Richtungsentscheidungen und Mut zu Änderungen keine Änderungen geben. Egal, ob es die letzte oder allerletzte Chance ist. Aufgrund der rasanten Entwicklungen im I4.0 und Digitalisierungsbereich könnte der Zug für uns bald nicht ab-, sondern vorbeigefahren sein.